3 rd International Congress on Hearing Voices,
Living with Voices: Paths to Recovery
2. und 3. September 2011 in der Universität Savona (Italien)
und Intervoice –Treffen am 1. September 2011

Die italienische Organisation für StimmenhörerInnen hatte zum 3. Weltkongress nach Savona, einer Hafenstadt an der ligurischen Küste, eingeladen und etwa 400 TeilnehmerInnen aus 22 Ländern und waren gekommen, um über Wege zur Genesung zu sprechen. 4 Teilnehmerinnen repräsentierten den österreichischen Zweig der Stimmenhören-Bewegung: Christian Lang, Hans Nussbaumer und Marlene Weiterschan von Intervoice OÖ-Netzwerk-Stimmenhören aus Linz (ein Projekt von exit-sozial) und Monika Mikus aus Wien.

Wie bei allen Tagungen von Intervoice (die internationale Gemeinschaft für Stimmenhören) referierten Menschen mit Stimmenhören-Erfahrungen gleichberechtigt mit WissenschafterInnen, ForscherInnen und Angehörigen. Acht stimmenhörende Frauen erzählten ihre ganz persönliche Geschichte der Genesung (recovery). Manche hörten bereits als Kind Stimmen, sie hatten schwere Traumata überlebt und einen Weg gefunden, mit den Stimmen zu leben. Allen gemeinsam war, dass sie auf der Suche nach Hilfe anfangs auf repressive und das Leiden verlängernde psychiatrische Einrichtungen gestoßen waren, bevor sie professionelle HelferInnen und Stimmenhören-Selbsthilfegruppen gefunden hatten, die sie in ihrer Genesung unterstützen, ihre Kreativität bei der Suche nach Lösungen förderten und ihnen Mut machten.

Die Psychologin und Autorin Gail Hornstein aus den USA hat 900 autobiographische Erzählungen „verrückter“ Menschen gesammelt. Sie fand
4 zentrale Faktoren für das Gelingen von Recovery (Genesung):

  • dass einer stimmenhörenden Person zugehört wird;
  • dass man ihr glaubt;
  • dass die stimmenhörende Person eine empathische Zeugin ihres Leidens findet, denn angesichts persönlichkeitszerstörender Erlebnisse und ungewöhnlicher und verwirrender Erfahrungen braucht man jemanden, der einem die Realität versichert;
  • und dass sie mindestens eine nahe Bezugsperson hat, die von ihrer Fähigkeit, das Schicksal zu meistern, überzeugt ist.


Weitere Referate behandelten u.a. den „weisen Umgang mit Psychopharmaka“, Notfall-Strategien für den Umgang mit Stimmen, die Ergebnisse von Trauma-Forschung, den Umgang mit aggressiven Stimmen. In vielen Arbeitskreisen wurden die genannten Themen ausführlich besprochen und debattiert und neue Projekte vorgestellt.

Intervoice – eine internationale und innovative Gemeinschaft

Am Vortag des Weltkongresses versammelten sich AktivistInnen von Intervoice und besprachen und diskutierten die weitere Entwicklung der Stimmenhören-Gemeinschaft. In vielen Ländern entstehen neue Gruppen, z.B. in den USA, Frankreich, Kanada, Griechenland, Indonesien, Brasilien, Palästina. Intervoice Trainer helfen beim Aufbau und der Ausbildung und finanzielle Förderungen für Gruppen sollen geschaffen werden, die Repräsentanten aller Gruppen die Teilnahme an den Weltkongressen ermöglichen.

Eine starke und vielfältige Stimmenhören-Gemeinschaft gibt es in London, wo 45 Gruppen bestehent. Ein Angebot für stimmenhörende Kinder und Jugendliche wurde aufgebaut und ein neues Projekt für stimmenhörende Insassen von 8 Londoner Gefängnissen und von forensischen Sonderanstalten wird gestartet.

Auch in Australien wird von zahlreichen Gruppen sehr kreativ an neuen Angeboten für stimmenhörende Menschen gearbeitet. Spezielle Trainings für Jugendliche mit ungewöhnlichen Erfahrungen bieten Hilfe bei der Bewältigung von Lebensproblemen und sollen sie vor einer Karriere als Psychiatrie-PatientIn bewahren. Ein Projekt beschäftigt sich speziell mit der Job-Vermittlung für StimmenhörerInnen.

Intervoice in Österreich:

In Linz gibt es seit 19 Jahren ein Angebot für stimmenhörende Menschen. Dieses besteht aus einer monatlichen Selbsthilfegruppe, der Möglichkeit zur Einzelberatung und Angehörigenberatung. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Öffentlichkeitsarbeit und Weitergabe von Informationen. Es werden Informationsveranstaltungen und Schulungen für Betreuungspersonal angeboten, Informationsgespräche mit Interessierten und Studierenden abgehalten und jährlich eine Veranstaltung (österreichweites Treffen für stimmenhörende Menschen, deren Angehörige und Interessierte) am Welttag Stimmenhören abgehalten.

Der Welttag Stimmenhören ist am 14. September und soll darauf aufmerksam machen, dass Stimmenhören ein viel weiter verbreitetes Phänomen ist als häufig angenommen wird: bis zu 10 % der Menschen hören im Laufe ihres Lebens Stimmen, viele vorübergehend, andere dauerhaft.

Christian Lang, Marlene Weiterschan

7.9.2011