Das Erleben verschiedener Realitäten – eine Frage der Wahrnehmung

Wahrnehmung ist für mich etwas sehr Subtiles, Fragiles, Filigranes. Sicherlich ist es ein geheimnisvoller Prozess, warum ein Mensch welche Wahrnehmung hat, durch die sie/er die Welt und sich selbst sieht. Im Unterbewusstsein spielt sich hier sicherlich vieles ab, das die Wahrnehmung entscheidend beeinflusst. Wahrnehmung hat keinen materiellen Körper, man kann sie nicht berühren, sie existiert rein psychisch. Und auf dieser Ebene ist sie unendlich berührbar, manchmal jedoch nicht steuerbar oder bewusst. Alle Wahrnehmungen sind kostbar und bringen die unterschiedlichsten Erfahrungen. Und um Erfahrungen zu machen und uns irgendwann an unsere vollkommene Lichtexistenz zu erinnern, sind wir meinem Gefühl nach auf dieser Erde …

Verschiedene Wahrnehmungen

Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch zu jedem Wahrnehmungsmuster in der Lage ist.

Wahrnehmungen können sehr verschieden sein, oft gleite ich von einer in die andere und zurück, nicht selten sind sie gegensätzlich.

Ein Beispiel:

Ich hab‘ es gerade eilig, fühle mich ungeduldig, gestresst und genervt. In solchen Momenten denke ich mir oft: „Ach, es sind überall so viele Leute!“.  In dieser Wahrnehmung gehen mir alle auf die Nerven, ich sehe meine Mitmenschen als Störenfriede oder sogar Gegner, um es ein bisschen überspitzt zu formulieren, die mir im Weg stehen, durch die ich warten muss, die mir den Platz wegnehmen, die laut und rücksichtslos sind, kurzum, die mich einfach nur nerven. Innerlich fühle ich mich so von jeder Kleinigkeit provoziert, durch die ich irgendeinen Nachteil habe, auch wenn ich nach außen hin cool bleibe. Auf diese Weise die Umgebung zu betrachten, löst Isolation und Einzelkämpferdasein in mir aus.

Meistens geht es mir mit dieser Wahrnehmung nicht gut, früher hab‘ ich mich dafür schwer verurteilt oder sogar gehasst, dabei ist das völlig o.k., das darf alles sein, jetzt weiß ich es.

Die für mich entgegengesetzte Wahrnehmung folgt oftmals darauf, indem ich bewusst den Fokus darauf lenke oder sie automatisch wechsle. In diesem Bewusstsein versuche ich die Menschen mit den Augen der Liebe zu betrachten und ich spüre, dass wir so vieles gemeinsam haben. Und das, was zuvor Wut oder Unbehagen in mir auslöste, sehe ich so mit Mitgefühl und Verständnis. Das, was ich von mir selbst kenne und nicht mag, dieses „Auf-den-eigenen-Vorteil-bedacht-Sein“ verstehe ich schmunzelnd. Indem ich mich selbst mag und akzeptiere, geht es mir auch mit anderen so. In solchen Augenblicken sehe ich mich als Teil der Menschheit, fühle mich anderen nahe. Wenn dann wieder ein negativer Gedanke kommt, nehme ich es gelassen zur Kenntnis und lasse ihn getrost weiterziehen.

Die „Hollywood-Wahrnehmung“

Irgendwie sehnt sich jeder nach einer perfekten Welt, tief in sich drin. Und es gibt sie ja auch und irgendwann werden wir sie auch auf dieser Erde erleben, da bin ich mir sicher.

Doch die Atmosphäre, die in Filmen häufig transportiert wird, kommt mir sehr unnatürlich, hochstilisiert und abgehoben vor. Nichtsdestotrotz unterhält sie nicht selten, sie weckt Sehnsüchte und versteht es, anzuregen und mitzureißen. Es entsteht oftmals die Illusion, dass ein Mensch, vor allem eine Frau, ein Opfer ist, wenn sie keine Beziehung und keinen Sex hat. Diese Botschaft suggerieren zahlreiche Filme und Serien. Als ich in dieser Wahrnehmung gefangen war - es war damals unbewusst – sah ich alle Menschen, die irgendwelche Mängel, Probleme oder Schmerzen hatten, als Opfer. Ich weinte so unglaublich viel, einmal hatte ich einen Nervenzusammenbruch, nur weil mein Opa Magenschmerzen hatte und ich mir so große Sorgen machte. Ich war die Drama-Queen par excellence.

Mittlerweile kann ich zwischen den Wahrnehmungen “switchen“, sie aus der Vogelperspektive betrachten, sie sind mir durch Selbstbeobachtung fast immer bewusst.

Ich kenne viele Menschen, die unbewusst in einer toxischen Wahrnehmung verhaftet sind und die diese für die einzige Realität halten. Carl Gustav Jung hat gemeint, dass die Masse eine kollektive Psychose hätte im Hinblick auf ihre Werte und Prioritäten. Womit ich beim nächsten Thema wäre …

Psychose und Wahrnehmung

Ich empfinde eine psychotische Wahrnehmung keineswegs als eine fehlerhafte Wahrnehmung.

Für mich ist sie etwas ganz Besonderes und hat mir viel Weisheit, Erkenntnisse und übersinnliche Momente beschert.

Obzwar ich zu dieser Erfahrung nur durch eine Odyssee an negativen Erlebnissen kam.

Das Mobbing in der Schulzeit, zuhause bekam ich auch immer noch kräftig eine auf den Deckel und so viele weitere schreckliche Vorfälle, ich hatte aufgehört, mitzuzählen und irgendwann sagte die Seele dann: „Schluss aus, ich kann nicht mehr!“ und reagierte mit einer psychischen Krankheit. Ich hab‘ mich in der Erklärung von Silvano Arieti in dem Buch “Interpretation of Schizophrenia“ wirklich gefunden. Darin erläutert er: “When the patient realizes, that the world is bad for him only, he also feels that the world is bad for him, because he is bad or worthless. He feels, that if he has always done wrong, it is because there is something wrong with him. He feels that if he has not been loved, it is not because love does not exist in this world, but because he is not loveable. The malevolent authorities which populate the world are malevolent only toward him and with good reason. He must hate himself more than anybody else hates him. His self-esteem undergoes the most injurious attacks.”

Was sich besonders schädlich auf die Psyche auswirkt, ist, wenn einem als Kind permanent gesagt und vermittelt wird, dass man schlecht sei. Ausführungen dazu gibt es in Silvano Arietis Buch, er schreibt von “The bad child“ in dem Kapitel “Psychodynamic patterns leading to Schizophrenia“.

Als junge Erwachsene habe ich dann alles auf eine Karte gesetzt – ich versuchte, die perfekte romantische Liebe zu kreieren, um mir durch die Liebe eines anderen Menschen doch noch etwas wert werden zu können. Ich dachte, sie könnte alles Schreckliche und Traumatische, das vorgefallen war, ungeschehen machen und auslöschen.

Körper und Seele habe ich den Menschen, in die ich mich unsterblich verliebte, auf einem Silbertablett serviert, was die vehemente Zurückweisung ihrerseits nur noch verschärfte.

Dennoch gibt es so viele Wege zu einer psychotischen Wahrnehmung, wie es Menschen gibt.

Es muss nicht zwangsläufig so dramatisch sein, viele stimmenhörende Menschen sind glückliche Menschen und haben kein Problem mit ihrer Situation – im Gegenteil.

Ich bin wirklich dankbar für alles, was ich erlebt habe und dafür, welche Themen und Interessen in meinem Leben dadurch jetzt eine Rolle spielen. Ich bin glücklich, die zu sein, die ich bin.

Ich habe ein Gedicht geschrieben, in dem ich meine durchwegs positive Beziehung zur Schizophrenie darlege, denn sie ist meiner Ansicht nach kein Grund zu verzagen oder gar zu verzweifeln.

Ode an die Schizophrenie

 

Sieh dich an

im Spiegel der Selbsterkenntnis

deine Fantasie ist unendlich

Vulnerabilität ist dein Kamm

dein feines Seelenhaar eine Bekenntnis.

 

Sieh dich an

dein Gesicht glitzert im Fluss

lächelt im fragilen Gewand

deine schillernde Wahrnehmung

sendet dir einen Kuss

schickt dich in ein fernes Traumland.

 

Sieh dich an

und vergiss alle Zweifel

intensiv-zauberhafte Fähigkeiten

besitzt dein Verstand

aus dem deine Liebe

zum Geschichtenerfinden träufelt

ihren Vorstellungsrahmen einst

sprengte und entband.

 

Sieh dich an

deine Sensibilität ist eine

unfassbare Schönheit

die dein Herzchakra immer empfand

deine Angst und deine Liebe

weben ihr Kleid

dein Kribbeln und dein Herzklopfen

sind ihr verwundbarer Glanz.

 

Sieh dich bitte aufrichtig an

du kannst strahlen, du leuchtest sogar

du fließt durch deine Finger

wie weißer Sand

durch alle Sinneswahrnehmungen

unternimmst du die Fahrt

du lässt entstehen eine neue Welt

in eingefahrenem Gedankenschrank.

 

Ich sehe mich aufrichtig an

die unbegrenzte Kostbarkeit

meiner Schizophrenie

ihr Leuchten in meiner Liebe

und in meiner Angst

sie ist meine Freundin

und ich hab‘ sie lieb

sie symbolisiert eine Reise der Zartheit

und der erweiterten Fantasie

der ich mich präembryonal

einst verschrieb und entsann

in überdimensionaler Hingabe

zu hyperfiligraner Magie.

Auch wenn wir uns in den Grundmustern ähneln, jeder nimmt die Welt anders, auf seine individuelle Art und Weise wahr. Selbst wenn Menschen ungefähr die gleiche Erfahrung machen, sind die Wahrnehmungen diesbezüglich unterschiedlich bis konträr. Die abweichenden Erzählungen dieser Menschen hinsichtlich des Geschehenen sprechen meist Bände darüber.

Keiner hat exakt denselben Geschmack wie ein anderer, die Mischung der Kriterien, die Menschen auffallen, ist nie völlig ident.

Jeder sieht die Welt durch einzigartige Augen und nimmt sie hoffentlich so wahr, dass es ihr/ihm lustvoll und angenehm ist.

 

Vergesst bitte nicht:

Die Wahrnehmung ist die Perle der Sinne, der Innenspiegel zur Sinnlichkeit der Seele, die untrennbar mit Denken und Fühlen vernetzt ist.

 

Betrachtet euch selbst und andere bitte innigst mit der Wahrnehmung und Sprache eurer Herzen!

 

 

Namaste

 

Barbara

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Kommentare: 2
  • #1

    Monika-Maria (Freitag, 19 Mai 2023 12:25)

    Namaste liebste Barbara,
    deine Worte wirken und sie - be-wirkten etwas im Herzen als ich sie las.
    Du beschreibst so wundervoll deine Wahrnehmungen. Es ist ein Geschenk, sich den eigenen Wahrnehmungen zu öffnen - weil sie eben Geschenke an das Leben darstellen.
    Ich wage zu behaupten, dass uns diese WAHRnehmungen menschlich machen, aber nicht nur für sich selbst, sondern auch der Mitwelt gegenüber. Wenn ich es erkenne, dass ein Mensch leidet, kann ich ihm einige wohltuende Worte schenken. Eine Geste, ein Lächeln, und dieser Mensch fühlt sich wahrgenommen. Er/sie kann dadurch gestärkt werden.
    Das ist eine Wahrnehmung, welche im außen sichtbar wird /wurde.
    Doch der überwiegende Teil dieser Wahrnehmungen basiert auf Erfahrungen im feinstofflichen Bereich. Die fühlende Seele ist dafür ein sehr feiner Sensor. Nun, da ist es nicht einfach zu reagieren und wahrzunehmen von außen. Viele Menschen haben dafür eben keine „Antennen“.
    Deswegen ist es so wertvoll sich Selbst gut zu kennen, die Nuancen des Fühlens und der Wahrnehmung zu kennen. Dadurch wird es möglicher, auch die Seelensequenzen der Mitmenschen besser zu fühlen. Letztendlich ist der Mensch ein Leben lang gefordert, daran zu feilen, sich gut, und damit auch die Anderen intensiver wahrzunehmen.
    Danke, liebe Barbara für deine Ausführungen.

    Ich wünsche dir eine gute,
    segensreiche Zeit in bester Gesundheit und Freude.

    Namaste
    Monika-Maria

  • #2

    Barbara (Freitag, 19 Mai 2023 14:43)

    Hallo liebe Monika-Maria!
    Was du schreibst, spricht mir aus der Seele. Wahrnehmungen bringen Gedanken und Gefühle, Reaktionen und oft auch Handlungen. Und wenn ich mich selbst kenne und selbsteinfühlsam bin, fühle ich mich auch anderen näher. Bin im Einklang mit meiner Umgebung. Die emotionale, soziale und spirituelle Intelligenz zu stärken, erscheint mir als sehr bedeutsam.
    Ich wünsche dir von ganzem Herzen eine beschwingte, freudenreiche Zeit mit vielen schönen Wahrnehmungen.
    Es bringt ein unbeschreibliches Glücklichsein, wenn wir es wagen, mit geöffneten Sinnen durch die Welt zu gehen!
    Alles Liebe!
    Namaste
    Barbara